BFSG: Nervige Pflicht oder riesige Chance

Barrierefreiheit. Klingt erstmal nach Rampen und Aufzügen, oder? Im digitalen Raum denken viele bei diesem Wort sofort an Screenreader und Blinden-Navigation. Und jetzt kommt auch noch dieses Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG). Klingt schon wieder nach viel Papierkram. Aber Moment: Wer nur die Pflicht sieht, verpasst das große Ganze. Denn das BFSG ist vor allem eins – eine echte Chance für nutzerfreundlichere Inhalte, mehr Reichweite und am Ende auch mehr Umsatz. Warum? Erklären wir dir.

Datum
18. August 2025
Autor
Matthias Blaß
Lesezeit
3 Minuten
Illustration eines Richterhammers und einer Holzscheibe mit einem Rollstuhlsymbol darauf, auf dunkelblauem Hintergrund mit neongrünen Pfeilen, die Richtung Hammer zeigen.

Woher kommt das eigentlich?

Barrierefreiheit ist kein neues Thema. Schon seit über 100 Jahren gibt’s weltweit Gesetze, die Diskriminierung verhindern und Teilhabe fördern sollen. In Deutschland wurde 2002 das Behindertengleichstellungsgesetz eingeführt, allerdings erstmal nur für den öffentlichen Sektor.

Jetzt muss auch die freie Wirtschaft nachziehen. Spätestens seit Mitte 2025 gilt: Wer digitale Dienstleistungen für Verbraucher*innen anbietet, muss sie barrierefrei machen. Das BFSG ist kein Alleingang der deutschen Gesetzgebung. Basis ist eine EU‑weite Vorgabe, der European Accessibility Act. Diese Vorgabe muss jetzt in Deutschland als EU-Mitglied umgesetzt werden.

Wen betrifft das BFSG?

Ganz grob: B2B nein, B2C ja. Wer ausschließlich für andere Unternehmen arbeitet, kann erstmal durchatmen. Wer aber digitalen Content, Apps oder E-Commerce-Angebote an Endkund*innen richtet, sollte sich das Gesetz genauer anschauen.

Es betrifft:

  • Webseiten

  • Apps

  • E-Commerce-Angebote

  • Digitale Dokumente wie Rechnungen oder AGBs

  • Automatisierte Mails oder SMS („Dein Paket ist da!“)

Es gibt Ausnahmen: zum Beispiel für Kleinstunternehmen unter 10 Mitarbeiter*innen und weniger als 2 Mio. Umsatz.

Aber: Auch die können schnell betroffen sein. Wenn der Friseur mit mehr als 10 Mitarbeiter*innen plötzlich einen Online-Shop für Haarpflege startet – zack, fällt er drunter.

Barrierefreiheit ist mehr als Screenreader

Das Bild vom blinden User mit Screenreader ist überholt. Barrierefreiheit meint viel mehr:

  • Temporäre Einschränkungen (Augentropfen beim Augenarzt, Handy in der Sonne nicht lesbar)

  • Situative Hürden (Kind auf dem Arm und nur eine Hand frei)

  • Kognitive Barrieren (komplizierte Sprache, unklare Navigation)

Kurz: Wenn du dein digitales Angebot einfacher, verständlicher und besser zugänglich machst, profitieren davon nicht nur Menschen mit Behinderung, sondern alle.

Was bringt’s?

Viel. Richtig viel.

1. Mehr Reichweite

Barrierefreie Seiten sind oft besser strukturiert, klarer getextet und einfacher zu bedienen. Das freut nicht nur Nutzer*innen, sondern auch Google. Viele Maßnahmen, die fürs BFSG nötig sind, zahlen direkt auf SEO ein. Denn was barrierefrei aufbereitet wird, können Suchmaschinen und auch Tools wie ChatGPT besser erfassen und ihren Nutzer*innen empfehlen. Das bringt dir mehr Besucher*innen.

2. Neue Zielgruppen

Senior*innen, Menschen mit temporären Einschränkungen, Eltern mit Kind auf dem Arm, Leute mit Leseschwäche – all das sind Menschen mit Geld, die du aktuell vielleicht verlierst, ohne es zu merken.

Beispiel: Die sogenannte “Silver Surfer“-Zielgruppe (60+) ist groß, finanzstark und online unterwegs: oft für sich selbst, oft für Enkelkinder oder Angehörige. Wer ihnen den Zugang leicht macht, gewinnt potentielle Kund*innen und Umsatz.

3. Bessere Nutzererfahrung

Barrierefreie Seiten zwingen dich dazu, über Nutzerführung, Inhalte und Verständlichkeit nachzudenken. Eine verbesserte Nutzererfahrung führt oft zu mehr Conversions.

Was ist, wenn du's ignorierst?

Kommt drauf an. Wer sich nicht an die Vorschriften hält, riskiert:

  • Bußgelder bis zu 100.000 €

  • Abmahnungen

  • Vertriebsverbote

  • Reputationsschäden

Gerade Letzteres geht schnell: Ein enttäuschter Mensch mit Einschränkung und Social-Reichweite postet seine Erfahrungen und schon ist der Shitstorm da.

Übrigens: Viele Dinge lassen sich heute schon ganz einfach checken. Mit kostenlosen Plugins für deinen Browser kannst du prüfen, ob Bilder Alt‑Texte haben, ob deine Seite per Tastatur bedienbar ist oder ob Screenreader mitkommen. Einfach mal ausprobieren, das ist ein guter Realitätscheck.

Fazit: Verpflichtung? Ja. Vor allem aber: Chance!

Das BFSG ist seit dem 28.06.2025 da und geht auch nicht mehr weg. Du kannst es aussitzen, ignorieren oder als lästige Regulierung abtun. Oder du nimmst es als Anlass, deine digitalen Inhalte auf ein neues Level zu bringen.

Denn am Ende geht’s nicht nur um Pflichten, sondern um Menschen und um echtes Wachstumspotenzial. Wenn du mehr Leute erreichst, erreichst du auch mehr Wirkung. Denn ganz ehrlich: Wer will schon nur wegen fehlender Barrierefreiheit auf Umsatz verzichten?

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Über den Autor

Matthias denkt gern neu. Unter dem Motto „Einfach machen. Es könnte ja gut werden.“ unterstützt er Unternehmen dabei, digitale Produkte nachhaltig, barrierefrei und nutzerfreundlich zu gestalten. Mit seiner Erfahrung aus agilen Projekten steht er als Product Owner, UX-Experte und Mentor zur Seite.

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